Wolf-Dieter Tabbert
3. September 2023
Elke Demter
1. September 2023

Michael
Kestner


Werden wir aufgefordert einen Tropfen zu zeichnen, so entsteht ohne großes Nachdenken ein kugelförmiges Gebilde, das an einer Stelle spitz zuläuft. Das erfasst aber nur den Moment der Ablösung von einem Körper. In Wirklichkeit sind die flüssigen Tropfenformen komplexer. Da sie nicht statisch sind, können sie Abplattungen und Eindellungen erhalten. Dem dynamischen Prinzip folgend können sie auch in Einzelformen zerfallen, sobald sie instabil werden.

Und so wie wir sagen würden, Wasser ist farblos, transparent, erleben wir das ganze Spektrum bunter Farben sobald sich Licht an der Oberflächenhaut bricht.

Kestners Tropfengebilde nehmen diese physikalischen Eigenschaften als Grundlage für ihre Gestaltung und lösen sich – allerdings nicht in der beliebt schlichten Tropfenform – von allzu stereotypen Vorstellungen.

 

Leben ist aufs engste mit Wasser verknüpft. Es begann im Wasser, und die entstandenen Wesen beherrschten von Anfang an die 'Kunst des Freischwimmens'. In den Papierschnitten schwimmen die märchenhaften 'Wasserwesen' nahezu tänzerisch elegant. Ihre kurvigen Kopfkörper, gänzlich ohne Extremitäten und weiterer Gliederung, vollführen ihre Bewegungen aus sich heraus. Sie spüren Auftrieb, schlängeln sich in die Höhe.

Zum Licht!?

Michael
Kestner


Die Grundkonstruktion der Plastik besteht aus einer Gitterstruktur dunkel getönter Holzstäbe, die zwar klar im Aufbau sind, aber durch Abweichungen die Strenge auflockern. Hier deutet sich an, was durch die Einfügung freier runder Elemente als Haupthema deutlich wird – Statik stereometrischer Raumstruktur versus Bewegtheit organischer Körperformen. Gleichzeitig zeigen sich Gemeinsamkeiten durch die Art des linearen Aufbaus, der alles wie eine dreidimensionale Grafik wirken lässt. Körper und Raum werden entmaterialisiert, was zu Transparenz und Durchsicht führt. Man weiß nicht so recht, ob die sich in einem helleren Grün absetzenden kugelförmigen Gebilde in der Gitterstruktur gefangen sind, oder ob es sich um Bewegungs- momente handelt. Wechseln die Ansichten, erlebt man sie in vielfältigen kompositorischen Beziehungen und stellt fest, dass ihre Körper komplexer und wandlungsreicher sind, als man es zuerst wahrgenommen hatte.

Linearität und Offenheit der Plastik erzeugen auf der Standfläche und auf der rückwärtigen Wand eine Schattenfiguration, die als ihre konsequente immaterielle Erweiterung gesehen werden kann.

Michael Kestner
Vor dem Schültingertor 54
59494 Soest
michael.kestner@gmx.de